CSD München: Wieder auf der Straße mit neuer Strecke!

Zwei PrideWeeks, Straßenfest mit zwei Bühnen, PolitParade über die Isar - Münchens Pride ist zurück.

Unter dem Motto LESS ME, MORE WE fordert die Münchner LGBTIQ*-Community mehr Solidarität mit- und untereinander, insbesondere mit der Ukraine und kämpft für einen Aktionsplan zur Gleichstellung queerer Menschen in Bayern

München, 16./17. Juli 2022 – Lange mussten die Münchner*innen auf diesen Moment warten. Nach zwei Jahren Pandemie kehrt der CSD am 16. /17. Juli auf die Straße zurück, um sichtbar für gleiche Rechte und Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen einzustehen. Schon am 2. Juli begannen – 2022 waren es erstmals zwei davon – die PrideWeeks mit zahlreichen Veranstaltungen rund um das diesjährige CSD-Motto LESS ME, MORE WE.

Die politischen Forderungen

Münchens LGBTIQ* hatten Anfang des Jahres über den Slogan in einem Online-Voting abgestimmt. LESS ME, MORE WE steht für Gemeinschaft und Solidarität in der Community, aber auch darüber hinaus. Der Wunsch danach sei angesichts der zunehmenden Spaltung in der Gesellschaft, der Gewalt gegen LGBTIQ* und des Kriegs in der Ukraine verständlich, findet Thomas Niederbühl, politischer Sprecher des CSD München und Stadtrat Rosa Liste: "Denn Angriffe gegen die Freiheit, queer zu leben und zu lieben, treffen uns alle als Community."

Man wolle, so Niederbühl, eine Gesellschaft, die Vielfalt wertschätzt und politisch unterstützt. Dazu gehöre, so steht es auch in den politischen Forderungen des Münchner CSD unter anderem, dass das Transsexuellengesetz endlich durch ein Selbstbestimmungsrecht ersetzt werde. Und dass Bayern einen Aktionsplan für mehr Akzeptanz, den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt bekomme.

"Noch sind längst nicht alle Hürden auf dem Weg hin zu echter Gleichberechtigung für LGBTIQ* aus dem Weg geräumt, auch nicht in Deutschland, in Bayern, in München. Wir haben zwar schon viel erreicht, aber noch immer gibt es Gewalt, Benachteiligung und diskriminierende Gesetze", sagt Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden.

Es geht also darum, Vielfalt wirklich zu leben – was auch für die Community selbst gilt. Zusammenstehen bedeutet für alle, Sichtbarkeit und Privilegien zu teilen.

Das Motto

Die Idee zu LESS ME, MORE WE hatten die Münchner Drag Queens Sabine Maultäschle und Robin Ring, Münchens "Botschafterinnen der Liebe". Robin Ring sagt: "Lasst uns gemeinsam für unsere Gleichberechtigung kämpfen, alle Schwulen, Lesben, Bisexuellen, trans*, inter*, nonbinären Menschen, alle Fetischleute, alle aromantischen, queeren, alle genderfluid Menschen, alle, die von Diskriminierung betroffen sind, alle, die sich marginalisiert und nicht gesehen fühlen - in Deutschland, Europa und der Welt."

Themenschwerpunkt I: Solidarität

Der CSD versucht, hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Motto-Suche, die Inhalte der zwei PrideWeeks, die redaktionelle Gestaltung des Pride-Magazins PrideGuide, das Design des diesjährigen CSD – all das wurde unter größtmöglicher Beteiligung aller Menschen der Community umgesetzt. "Zwei zentrale Aspekte der Pride-Bewegung sind spürbarer Zusammenhalt und gelebte Solidarität, denn nur gemeinsam sind wir als LGBTIQ* stark", sagt Frank Zuber, Grafiker des Münchner CSD. Das werde im diesjährigen CSD-Design deutlich: "Diversity is a messy, but fantastically colorful thing."

"Vielfalt, die Partizipation verschiedener Akteur*innen ist unser Antrieb", sagt Julia Bomsdorf, Sprecher*in des CSD und Person für Öffentlichkeitsarbeit der Lesbenberatung LeTRa. Das spiegle auch jüngst die Umbenennung von LeTRas Trägerverein Lesbentelefon in LesCommunity, der wie das schwul-queere Zentrum SUB, die queere Jugendorganisation diversity München, die Münchner Aids-Hilfe und die Wähler*innen-Initiative Rosa Liste zu den Gesellschaftern des CSD gehört. "Einen Ort zu haben, an dem ein Team aus Frauen, Lesben, nicht-binären, trans* und cis-geschlechtlichen Menschen zusammenarbeiten, ist in Zeiten von Trans*-, Homofeindlichkeit, Unsichtbarmachung lesbischer Frauen, Rassismus und weiterer Diskriminierungs- und Gewaltformen unschätzbar wichtig", so Bomsdorf.

Themenschwerpunkt II: Ukraine

Die Solidarität der Münchner Community gilt in diesem Jahr aber auch den Menschen in Münchens Partnerstadt Kyjiw, insbesondere LGBTIQ*, die in der Ukraine unter Putins Krieg leiden, weil sie ohne Einkommen sind, ausgebombt wurden oder fliehen müssen. Mit ihnen verbindet München seit zehn Jahren eine enge Pride- und Szenepartnerschaft. "Queere Menschen sind eine vulnerable Gruppe, die eines besonderen Schutzes bedürfen", sagt Stephanie Hügler, Mitfrau von Munich Kyiv Queer. Die Organisation sammelt mit dem Bündnis Queere Nothilfe Ukraine, der auch der CSD und seine Trägervereine angehören, Spenden. Sie unterstützen in der Ukraine bei der Unterbringung in so genannten Sheltern, der Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten. In München suchen sie Unterkünfte, helfen bei Bürokratie und Integration in den Arbeitsmarkt.

Beim CSD läuft die Gruppe mit Gästen von KyivPride, Gay Alliance Ukraine und OdesaPride sowie Geflüchteten aus der Ukraine an der Spitze der PolitParade. Ein Euro vom Eintritt des RathausClubbing geht an die Ukraine-Nothilfe von Munich Kyiv Queer; die Veranstalter*innen verkaufen einen Soli-Wodka. Außerdem fand am Vorabend des CSD, dem 15. Juli, im lesbisch-queeren Zentrum LeZ eine Benefizparty für LGBTIQ* in der Ukraine statt.

Themenschwerpunkt III: Ein Aktionsplan für Bayern

Solidarität allein aber reicht nicht. Für echte Gleichstellung und Akzeptanz braucht es Gesetze und den politischen Willen, diese auch umzusetzen.

Daran fehlt es gerade in Bayern, das bislang als einziges Bundesland keinen Aktionsplan zur Gleichstellung von LGBTIQ* vorweisen kann. Dabei zeigen die Zahlen von Strong!, der LGBTIQ*-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt in Bayern, dass gerade queere Menschen häufig von Übergriffen betroffen sind. Das schwul-queere Zentrum SUB hatte deshalb zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie IDAHOBIT am 17. Mai eine Petition gestartet, der sich der Münchner CSD und seine Trägervereine anschließen. Solidarisch fordern die Veranstalter*innen die bayerische Staatsregierung zum Handeln auf. "Der Freistaat muss unsere Anliegen ernst nehmen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Es geht um die Verantwortung für Demokratie! LGBTIQ*-Rechte sind Menschenrechte!", sagt Dr. Kai Kundrath, Geschäftsführer des SUB.

Es gehe unter anderem darum, in Bayern queer-spezifische Gewalt- und Diskriminierungszahlen zu erfassen, die lückenhafte Beratungsinfrastruktur auszubauen, Lehrpläne zu überarbeiten, Unterkünfte speziell für LGBTIQ*-Geflüchtete zu schaffen, die Polizei zu sensibilisieren. Der Aktionsplan, so Kundrath, müsse über sämtliche Ministerien der Landesregierung hinweg in alle Bereiche der Gesellschaft hineinwirken und aktiv Vielfalt und Gleichstellung fördern.

PrideWeeks: Zwei Wochen Programm

Solidarität, Ukraine, Aktionsplan – die Themenschwerpunkte des diesjährigen CSD prägten die PrideWeeks. Über zwei Wochen lief das Begleitprogramm im Vorfeld des CSD-Wochenendes dieses Jahr erstmals. Vom 2. bis 17. Juli lu die Münchner Community zu Sport, Politik, Kunst und Workshops.

Zu den Highlights der Saison gehörten der Dyke-March am 2. Juli, das Regenbogenkonzert mit den Münchner Philharmonikern am 3. Juli, das lesbische Filmevent "Nico" am 8. Juli, Sylwia Makris queer-kritisch interpretierte Meisterwerke der polnischen Malerei in der Kunsthalle und der TinQmarch für mehr Sichtbarkeit von trans*, inter*, nicht-binären und queeren Menschen am 15. Juli.

"Sichtbarkeit schafft Akzeptanz", sagt Patricia Schüttler vom Selbsthilfeverein Trans-Ident. Sie ist Teil des CSD-Organisationsteams. "Insbesondere für trans* Menschen gibt es rechtlich und gesellschaftspolitisch noch viel zu erreichen. Das bekommen wir aber nur hin, wenn wir mit den Menschen da draußen und untereinander solidarisch zusammenstehen", so die Trans*-Botschafterin.

PolitParade auf neuer Strecke

Höhepunkt der beiden Pride-Wochen ist aber klar das Wochenende vom 16. auf den 17. Juli. Vom Tal haben die Veranstalter*innen den Startpunkt der PolitParade erstmals auf den Mariahilfplatz in der Au verlegt. Der Demonstrationszug war in den vergangenen Jahren immer größer geworden, am neuen Ort ist mehr Platz für die Aufstellung. Außerdem bringt der neue Weg mehr Sichtbarkeit.

Die etwa vier Kilometer lange Strecke läuft ab 12 Uhr über Ohlmüllerstraße, Reichenbachbrücke, Fraunhofer-, Klenzestraße, Gärtnerplatz, Reichenbach-, Rumford-, Müllerstraße, Sendlinger-Tor-Platz, Oberanger zum Rindermarkt (Demo-Ende Fußgruppen) und weiter über Rosental und Viktualienmarkt zum Alten Rathaus (Demo-Ende Fahrzeuge).

Straßenfest und RathausClubbing

Im Anschluss beginnt das Straßenfest wie gewohnt mit zwei Bühnen am Marienplatz und in der Kaufinger Straße, Infoständen in der gesamten Innenstadt, der Party Area am Rindermarkt, und einem Bereich für Regenbogenfamilien auf dem Frauenplatz vor dem Dom. Abends lädt der CSD wieder zum RathausClubbing. Der Samstag kann auf YouTube, Facebook und www.csdmuenchen.de im LiveStream verfolgt werden. Am Sonntag präsentieren die Veranstalter*innen auch wieder ein PumpsRace.

Der Münchner CSD ist zurück und wird größer denn je. "Nach zwei Jahren Corona-Pause demonstrieren und feiern wir endlich wieder auf der Straße", sagt CSD-Geschäftsführer Alexander Kluge – sichtbar und solidarisch. "Wir alle brauchen das Zusammensein in diesen Tagen mehr denn je!"

MEHR:

Pressemappe CSD München 2022

Bildmaterial CSD München 2022

Zurück