So feiert München den alternativen Pride!
Mit PrideWeek, dezentraler Demo-Aktion und Live Stream kämpft die LGBTI*-Community der Stadt für ihre Anliegen
München, 1. Juli 2020 – Jetzt erst recht! Die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff und dennoch kann München am kommenden Wochenende in die PrideWeek starten. Die fällt zwar kleiner aus als in den vergangenen Jahren, aber die Botschaft wirkt groß in diesen Tagen: Der Münchner CSD kommt! Wir erleben eine PrideWeek, eine Demo-Aktion in dezentraler Form und ja, sogar so etwas wie ein Straßenfest mit Bühnen-Show – das aber rein virtuell. Vom 4. bis 12. Juli bitten der CSD und die Münchner LGBTI*-Community zum kreativen Alternativprogramm.
Das Team hinter dem Christopher Street Day hat sich in den vergangenen Wochen alle Mühe gegeben, den Pride umzuplanen. Und das war gar nicht so einfach, wie Sprecher*in Julia Bomsdorf verrät: "Wir waren erstmal geschockt, als wir den CSD in gewohnter Form absagen mussten." Sämtliche Großveranstaltungen sind ja verboten. Erst war langes Warten angesagt, bis Klarheit herrschte; dann musste alles ganz schnell gehen. "Gerade in diesen Zeiten, da uns von Rechts starker Gegenwind ins Haus weht, müssen wir sichtbar sein", sagt Bomsdorf.
Exakt 14 politische Forderungen
hat der Münchner CSD für dieses Jahr aufgestellt, die unter dem Motto „Gegen Hass. Bunt, gemeinsam, stark!“ für Solidarität in der Community werben und zum Handeln aufrufen. Ein, wie sich herausstellt, aktuell sehr passender Slogan.
Denn wie so viele in Deutschland stehen dank Corona - neben dem CSD selbst - auch LGBTI*-Aktivist*innen, -Vereine und kommerzielle Szene unter enormem wirtschaftlichem Druck. "Dass der Alternativ-Pride in so kurzer Zeit neu aufgesetzt werden konnte, ist der kreativen Energie der Münchner Szene und ihrer Freund*innen zu verdanken, die sich für ihren CSD - ideell wie finanziell - stark gemacht haben", sagt Janisha Jones, Münchner Drag Queen ("Queen of Drags"), die die lokale LGBTI*-Community unterstützt . Die Liste der Supporter*innen ist lang.
Im Einzelnen sieht der neue CSD jetzt so aus:
Die PrideWeek gestalten vom 4. bis 12. Juli mit ihren Veranstaltungen nach wie vor die Münchner LGBTI*-Organisationen und ihre Mitstreiter*innen – analog wie digital. Das geht von der klassischen Lesung lesbischer und schwuler Autor*innen, über Regenbogen-Flashmobs in der Stadt bis zur Zooführung über queeres Leben in der Tierwelt.
Die abgesagte PolitParade vom 11. Juli findet virtuell im Netz statt. Wer sich dafür angemeldet hatte, kann sich seit Kurzem auf der CSD-Website mit einem kurzen Video vorstellen, das am CSD-Samstag, besagtem 11. Juli, während des Live Streams außerdem im neuen lesbisch-queeren Zentrum LeZ gezeigt wird. Knapp 60 Beiträge sind eingegangen von allen möglichen LGBTI*-Gruppen, Menschenrechtsinitiativen, Gesundheitseinrichtungen, Parteien, den Diversity-Abteilungen zahlreicher Unternehmen und Einzelpersonen.
Eine Art Demo gibt es aber trotzdem! Protestiert die Münchner Szene eben infektionssicher dezentral in eigens dafür definierten CSD-Demo-Spots in der Innenstadt. Darum haben Veranstalter*innen, Kreisverwaltungsreferat und Polizei wochenlang gerungen. Mit ihren Transparenten, Schildern und Flyern stehen die Demogrüppchen am 11. Juli ab 12 Uhr auf etwa 50 festen Positionen in den Fußgängerzonen der Altstadt. Auch den PrideGuide mit den politischen Forderungen der Münchner LGBTI*-Community verteilen sie dort.
Im Abstand von zirka 50 Metern reihen sich die Protestwilligen vom Marienplatz ausgehend in Kleingruppen von bis zu sechs Leuten auf. So entsteht ein Regenbogennetz, das sich über die ganze Innenstadt spannt, ohne aber die Gesundheit der Münchner*innen aufs Spiel zu setzen. Die Aktion dauert etwa drei Stunden.
Zebrastreifen in Regenbogenfarben
Musik, Vorträge und Darbietungen sind an den CSD-Demo-Spots übrigens nicht erlaubt, um die Passant*innen nicht zum Verweilen anzuregen. Zu viele Demonstrationen seien in letzter Zeit aus dem Ruder gelaufen, sagt CSD-Geschäftsführer Alexander Kluge, der zu Besonnenheit aufruft. Spazieren sei erlaubt, Party nicht. Wer alle Spots abgeht, muss 2,6 Kilometer zurücklegen. "Das schafft mit kreativen Mitteln die Sichtbarkeit, die wir uns für den CSD wünschen", sagt der politische Sprecher des CSD, Thomas Niederbühl.
Am Rathaus und am Marienplatz werden außerdem Regenbogenfahnen wehen. Im Glockenbachviertel strahlen von den Ampeln Liebespaare aller Couleurs. Die Trambahnen und Busse der Stadt schmücken sich mit Regenbogenwimpeln. Ja, sogar einzelne Zebrastreifen werden in der PrideWeek in den bunten Farben der LGBTI*-Community erstrahlen. Letzteres ist neu.
Den Höhepunkt der PrideWeek
aber bildet in diesem Jahr das große Live Streaming aus dem lesbisch-queeren Zentrum LeZ am 11. Juli - als eine Mischung von PolitParade, Straßenfest und Bühnen-Show. Wie die Demo beginnt der 18-stündige Act um 12 Uhr. Einen ganzen Tag lang strahlt das CSD-Team ein Programm ins Netz aus, das mit Grußworten beginnt und abends im Club endet, unter anderem mit Berghain-DJ Boris. Dazwischen ist viel Platz für Community-Talks, Musik, Live-Acts, Kurzfilme, Drag Shows – auch Janisha Jones hat mit ihrer "Monatsschau" einen Auftritt.
Zur Sprache kommen in den Talks ernste Themen wie lesbische Sichtbarkeit, Gewalt gegen LGBTI*, Aufklärung an Schulen; auf der anderen Seite geht es aber auch ums Feiern. Dafür haben Musiker*innen und DJs aus ganz Deutschland ihre Beiträge eingereicht, etwa Ankathie Koi, Kery Fay oder Schrottgrenze. Als Conférencières des Events betätigen sich die Drag Queens Robin Ring und Sabine Maultäschle. Und natürlich werden die Zuschauer*innen live ins Geschehen eingebunden, etwa über ein Gewinnspiel.
Die große Spendenaktion
Bei alledem dürfen wir nicht vergessen: Der CSD agiert im Krisenmodus. Weil wegen Corona viele große Events der PrideWeek ausfallen, wie zum Beispiel das RathausClubbing, gehen dem CSD wichtige Einnahmen verloren. Im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Start Next/#kreativmünchen sind bereits 14.000 Euro eingegangen, die dem Pride-Team helfen, die Veranstaltungen 2020 zu stemmen, zum anderen aber Organisation und Infrastruktur des CSD München für die Zukunft zu sichern.
Auf Spreadshirt.de gibt es außerdem einen Fanshop, der T-Shirts, Hoodys und Atemmasken im schicken CSD-Look (Design: Frank Zuber) bereithält. Sie kommen beim Publikum gut an. "Dafür sagen wir Danke", so Sprecher Thomas Niederbühl, der sich über die gelebte Solidarität freut. "Jeder Euro hilft!"