Unser Statement zum Umgang mit der CSU
Weder die Partei noch die Stadtratsfraktion erfüllen die Voraussetzungen
UNSER STATEMENT
Wir haben entschieden, dass die Anmeldung der CSU-Stadtratsfraktion für die PolitParade 2024 leider abgelehnt werden muss. Grundlegende Voraussetzung für alle Teilnehmenden ist, dass sie sich für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz aller queeren Menschen engagieren. Der polemisierende Absatz zu Identitätspolitik und Wokeness im CSU-Grundsatzprogramm, die Ablehnung des Selbstbestimmungsgesetzes des Bundes im aktuellen Koalitionsvertrag mit den Freien Wählern, das Genderverbot von Ministerpräsident Dr. Markus Söder für alle staatlichen Behörden und zuletzt auch der Antrag von CSU-Stadtrat Alexander Reissl, der das Gendern innerhalb der Münchner Stadtverwaltung verbieten möchte, zeigen, dass sowohl die CSU als Partei, aber auch die CSU-Stadtratsfraktion diese wichtigen Voraussetzungen nach wie vor nicht erfüllen.
In den vergangenen Wochen gab es in den Medien und der Community viele Diskussionen darüber, wie sich der CSD zur CSU stellt. Um falsche Narrative zu vermeiden, haben wir einmal für euch hier die wichtigsten Fragen und Fakten zusammengestellt:
Darf die CSU mit einem Wagen auf der PolitParade des CSD teilnehmen?
Nein, gemäß Entscheidung der Veranstalter*innen-Vereine des CSD München darf die CSU (ebenso wie ihre Gliederungen) nicht an der PolitParade des CSD München teilnehmen.
Darf die LSU (Lesben und Schwule in der Union) mit einem eigenen Wagen bei der PolitParade des CSD München teilnehmen?
Ja, die LSU Bayern darf an der PolitParade des CSD München teilnehmen. Dabei dürfen selbstverständlich auch Politiker*innen aus der CSU ihre Unterstützung zeigen. Die Gruppe muss jedoch klar als LSU erkennbar sein.
Warum darf die LSU, aber nicht die CSU?
Die Mitglieder der LSU Bayern setzen sich innerhalb der CSU für die Gleichstellung, die Anliegen und die Bedürfnisse der queeren Community ein. Deshalb und weil sie Teil der queeren Community sind, dürfen sie für die PolitParade einen eigenen Wagen anmelden.
Dürfen die CSU und die LSU (Lesben und Schwule in der Union) einen Infostand auf dem Straßenfest des CSD München betreiben?
Ja, sowohl der LSU und der CSU (und ihren Gliederungen) steht es frei, sich wie in den vergangenen Jahren auch mit einem Infostand am Straßenfest zu beteiligen. Die Veranstalter*innen würden dies ausdrücklich begrüßen, laden die LSU und die CSU herzlich dazu ein, einen Infostand aufzustellen, um mit allen queeren Communitys ins Gespräch zu kommen.
Warum darf die CSU keinen Wagen auf der PolitParade des CSD München anmelden?
Die CSU kann aus unserer Sicht nicht glaubhaft machen, dass sie die Kernforderungen des CSD München unterstützt (1). Dies machen wir sowohl am Grundsatzprogramm, öffentlichen Äußerungen, dem Abstimmungsverhalten im bayerischen Landtag, dem Abstimmungsverhalten im Bundestag, dem Abstimmungsverhalten im Bundesrat und (angedrohten) Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht fest.
Ein Beispiel hierfür ist das Selbstbestimmungsgesetz: Der CSD München fordert bereits seit Jahren die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und dessen Ersatz durch ein Selbstbestimmungsgesetz, wie es jetzt von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wurde. Die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern schreibt im Koalitionsvertrag nur den Satz: "Das Selbstbestimmungsgesetz des Bundes lehnen wir ab" (2) und versucht, das Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes im Bundestag zu verhindern (3).
Die bayerische Staatsministerin Ulrike Scharf spricht von "Trans-Mode" und behauptet: "Künftig sollen Jugendliche, deren Identitätsbildung noch bei weitem nicht abgeschlossen ist, ihren Vornamen und ihr Geschlecht wie Socken wechseln können." (4)
Ebenso positioniert sich die CSU in ihrer Außenpolitik: So kann Viktor Orban trotz seiner rechten und queerfeindlichen Politik den Franz-Josef-Strauß-Preis (5) behalten und im vergangenen Jahr besuchte eine CSU-Delegation Ron DeSantis. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Florida hatte erst kurz vorher seine anti-gay-laws auf den Weg gebracht, die dazu führten, dass jegliche Aufklärung über Homosexualität und Queerness im Staat Floria strafbar ist und Bibliotheken alle Bücher zu den Themen aussortieren müssen (6).
Aber die CSU setzt sich mittlerweile doch auch für Schwule und Lesben ein?
Das ist teilweise richtig. Jedoch sind nicht nur Schwule, Lesben und Bisexuelle queer, sondern auch transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Für diese setzt sich die CSU nicht ein und macht sogar regelmäßig Stimmung gegen sie (7).
Vereinfacht gesagt gibt es für die CSU akzeptierte Homosexuelle auf der einen und trans* Personen auf der anderen Seite. Doch wir lassen uns als Community nicht spalten, sondern setzen uns getreu unseres Mottos "Vereint in Vielfalt" für die Rechte aller queeren Menschen ein!
Warum wird die CSU in Bayern anders behandelt als beispielsweise die CDU in Berlin?
Wir haben konkret über die Teilnahme der CSU am CSD in München entschieden. Die etwaige Teilnahme der CDU an CSDs in anderen Städten hat dafür aus unserer Sicht keine Relevanz. Unserer Meinung nach unterscheiden sich sowohl die Position der Parteien als auch die öffentlichen Aussagen der Spitzenpolitiker*innen beider Parteien erheblich. Ein weiterer Grund ist, dass die CDU die LSU-Landesverbände als Parteigliederung anerkennt (8), die CSU den LSU-Landesverband jedoch nicht (9).
Sucht der CSD München ständig nach neuen Gründen, die CSU auszuschließen?
Nein, der Hauptgrund bleibt wie beschrieben, dass die CSU aus unserer Sicht nicht glaubhaft machen kann, dass sie die Kernforderungen des CSD München unterstützt. In der Kommunikation mit der CSU und der Presse nutzen wir jedoch aktuelle Beispiele.
Wurde die CSU wegen des Mottos gegen Rechts ausgeschlossen? Versteht der CSD die CSU als rechts?
Nein, der CSD München versteht die CSU als konservativ und nicht als rechts, auch wenn wir an vielen Stellen Nachholbedarf bei den Positionen zur Gleichstellung queerer Menschen sehen.
Wurde die CSU (nur) wegen des Gender-Verbots in Bayern ausgeschlossen?
Nein. Wie oben beschrieben, darf die CSU nicht an der PolitParade teilnehmen, weil sie nicht glaubhaft machen kann, die Kernforderungen dieser politischen Demonstration zu unterstützen. Das Gender-Verbot war eines von vielen Argumenten gegen eine Teilnahme.
Was ist mit den queeren Wähler*innen oder Mitgliedern der CSU?
Selbstverständlich gibt es auch queere Menschen, die CSU wählen und Parteimitglieder, die wichtige Arbeit leisten, um die Akzeptanz von queeren Personen in der CSU und der gesamten Gesellschaft zu fördern. Diese Arbeit möchten wir ausdrücklich anerkennen! Trotzdem wiegen einzelne positive Beispiele des Engagements für queere Rechte nicht das Grundsatzprogramm der CSU auf.
Was ist mit dem Gegenwind aus Community und Zivilgesellschaft?
Wir haben aus unseren Organisationen diversity München, LesCommunity, Sub, Münchner Aids-Hilfe und Rosa Liste, die einen großen Teil der queeren Community vertreten, das klare Signal erhalten, das unsere Entscheidung richtig war.
Wir schätzen konstruktive Kritik an unseren Entscheidungen. Wir bedauern aber, dass die Kritiker*innen nicht direkt auf uns zugekommen sind, sondern wir aus den Medien von ihrer Kritik erfahren haben. Wir werden in den nächsten Wochen das Gespräch suchen und unsere Entscheidung erläutern.
Wir begrüßen es, wenn jemand, nachdem er beide Seiten angehört hat, weiterhin der Meinung ist, die CSU solle am CSD teilnehmen dürfen. Demokratie und eine bunte Community leben auch vom Widerspruch und von unterschiedlichen Positionen.
Die CSU-Stadtratsfraktion behauptet, sie habe sich jahrelang für queere Rechte engagiert? Stimmt das?
Ja und Nein. Ja, weil die CSU-Stadtratsfraktion jahrelang bei Anträgen anderer Fraktionen für mehr queere Projekte in München mitgestimmt hat. Ja, weil es auch in der CSU- Stadtratsfraktion Stadträt*innen wie zum Beispiel Alexandra Gaßman und Thomas Schmid gibt, die in einem regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch mit der queeren Community stehen. Allerdings fallen einzelne CSU-Stadtratsmitglieder immer wieder durch polemisierende, gegen die queere Community gerichte Aussagen (10) und Anträge (11) auf.
Die CSU in München gehört zwar zu den liberalsten Ortsverbänden der Partei, trotzdem bleiben die Angriffe der Landesregierung auf queere Rechte von der CSU-Stadtratsfraktion - zumindest öffentlich - unwidersprochen. Daher darf auch die CSU-Stadtratsfraktion nicht an der PolitParade des CSD teilnehmen.
Fußnoten/Belege:
[1] https://www.csdmuenchen.de/de/politische-forderungen.html
[2] https://www.csu.de/common/download/Koalitionsvertrag_2023_Freiheit_und_Stabilitaet.pdf
[4] https://www.stmas.bayern.de/aktuelle-meldungen/pm2207-187.php
[5] https://www.hss.de/news/detail/wir-beobachten-die-entwicklung-news6097/
[6] https://www.queer.de/detail.php?article_id=45494
[7] https://www.queer.de/detail.php?article_id=45494
[8] https://www.cdu.de/ueber-uns/struktur-der-cdu; https://www.lsu-deutschlands.de/ueber-uns/
[9] https://www.csu.de/partei/parteiarbeit; https://www.lsu-bayern.de/