Partner-Pride Kyjiw

Die LGBTIQ*-Communitys in München und Kyjiw kooperieren

CSD München 2023. Foto: Bethel Fath

Krieg und alles ist anders. Die Welt, wie wir sie kannten, gibt es nicht mehr. Die Zusammenarbeit mit unseren Freund*innen in der Ukraine hat sich verändert. Heute sammeln wir Spenden für LGBTIQ* auf der Flucht, wir leisten Soforthilfe für queere Menschen in Not, wir unterstützen ukrainische LGBTIQ*-Organisationen, die ihre Community in Sheltern mit Lebensmitteln, Medikamenten und Ansprache versorgen - und das unter widrigsten Bedingungen.

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Städte sind unter Beschuss, Millionen auf der Flucht, es fehlt an allem. Dazu die Gerüchte um Tötungslisten, auf denen auch LGBTIQ*-Aktivist*innen stehen sollen. Nicht alle können fliehen: Männer* und männlich gelesene trans* Personen dürfen das Land wegen der Generalmobilmachung nicht verlassen. Und sind queere Minderheiten nicht ohnehin schon vulnerable Gruppen, traumatisiert oft aufgrund ihrer jahrelangen Diskriminierungserfahrungen?! Zumal in der Ukraine.

Der Zauber des Anfangs

Dabei waren wir doch auf einem guten Weg: "Fight for Global Rights – Solidarität kennt keine Grenzen" hieß es 2012. Was damals als CSD-Motto begann, ist heute gelebte Partnerschaft. Die Pride-Kooperation, die KyivPride und CSD nach 2012 eingegangen waren, ist heute ein zentraler Bestandteil der Zusammenarbeit, die die Communitys hier in München und ihrer Partnerstadt vor vielen Jahren begründet haben.

Ihr kongeniales Wirken koordiniert die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer, die jedes Jahr in der Ukraine und Deutschland zahlreiche politische, kulturelle und fachwissenschaftliche Aktionen stemmt - jedenfalls vor dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine. Die Landeshauptstadt München unterstützt die Pride-Partnerschaft finanziell und ideell.

Idahobit 2023. Foto: Mark Kamin

Jedes Jahr waren Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queers aus München und Kyjiw in ihrer Partnerstadt, um sich bei KyivPride und CSD gegenseitig beizustehen. Wir besuchten auch die Prides anderer ukrainischer Städte.

Vor Ort luden die Veranstaltenden zu PrideWeek und Politparade; für die Gäste stellte der CSD München zusätzlich ein Besuchsprogramm in beiden Ländern auf die Beine. Standen in München das gemeinsame Lernen, der Austausch, das Entwickeln neuer Projekte im Mittelpunkt, ging es in der Ukraine um Grundlegendes: Sichtbarkeit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, gleiche Rechte für alle, Antidiskriminierungsschutz, Verbesserung der Gesetzeslage für Trans* und Inter*. Die Präsenz ausländischer Gäste erhöhte stets den Druck auf die ukrainischen Behörden, den CSD zu schützen.

Von 2012 bis heute konnte der KyivPride dank Münchner Beteiligung schon acht Mal stattfinden, wenn auch im Corona-Jahr 2020 rein virtuell und in den letzten zwei Jahren im Exil mit Warschau und Liverpool. Zwar gab es jedes Mal Proteste von Nationalist*innen, leider auch oft genug Gewalt, aber die gesellschaftliche Akzeptanz war in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Der Erfolg wuchs

Die Wende kam 2016: Über 6000 Polizist*innen leiteten einen Demonstrationszug mit 2000 Teilnehmer*innen mitten durch die Innenstadt, vorbei an der Taras-Schewtschenko-Uni zum Leo-Tolstoi-Platz. Der Marsch selbst war sicher: Wer mitlaufen wollte, musste zuvor durch den Polizei-Check. Das Konzept trug: 2017 waren die ersten Drag Queens mit dabei, 2018 über 5000 Leute in der Stadt unterwegs, 2019 dann schon über 8000 – darunter Pop-Stars, die ersten Lederkerle und Fetischgruppen, Regenbogenfamilien, Eltern von LGBTIQ*, Menschen mit Handicap. 2021 brachte der Pride trotz Pandemie um die 7000 Menschen zusammen. Engagement zahlt sich aus, erst recht gemeinsames!

Infostand von MKQ. Foto: Erwin Harbeck

Lesben, Schwule, Bi, Trans*, Inter* und Queers hatten es in der Ukraine nie leicht. Seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 war Homosexualität zwar kein Straftatbestand mehr; die ablehnende Haltung der Bevölkerung indes wandelte sich nur langsam. Aber immerhin: Sie veränderte sich zum Besseren. Das Problem waren die Rechtsradikalen, die in einer liberaler werdenden Gesellschaft ihre Existenz bedroht sahen. Im Parlament spielen Radikale bis heute keine Rolle, in den Straßen Kyjiws aber schon. Lesben, Schwule, Bi, Trans* und Inter* hatten sie zuletzt zu ihren Lieblingsfeinden erkoren.

Auch im Krieg gibt es Übergriffe. So mancher nutzt die Gunst der Stunde, fernab von staatlicher Kontrolle Jagd auf queere Menschen zu machen. Dabei stehen die Ukrainer*innen jetzt zusammen. Viele LGBTIQ* kämpfen an der Front offen gegen Putins Armee. Nicht alle aber sind dazu in der Lage.

Die Ukraine nach Europa

Große Hoffnung setzt die ukrainische Community nach wie vor auf die Anbindung ihres Landes an die Europäische Union. In diesem Zusammenhang hat das Parlament 2016 ein Antidiskriminierungsgesetz im Arbeitsrecht verankert; auch die Transition wurde vereinfacht. Die Regierung hat außerdem vor langer Zeit einen Aktionsplan für Menschenrechte verabschiedet, der registrierte Partnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare vorsieht. Das wird jetzt diskutiert, mitten im Krieg. Die Istanbul-Konvention hat das ukrainische Parlament bereits ratifiziert.

Die Kyjiw-Arbeit der Münchner Community trägt der Münchner Stadtrat mit, insbesondere Dominik Krause (Bündnis 90/Grüne), der wiederholt als Vertreter von Oberbürgermeister Dieter Reiter mit uns in der Ukraine war. Dieter Reiter setzt sich immer wieder auch persönlich ein.

Der CSD München und die Kontaktgruppe Munich Kyiv Queer arbeiten eng mit dem Kulturreferat, der Koordinierungsstelle für LGBTIQ* und dem Büro für Internationale Angelegenheiten der Stadt München zusammen. In Kyjiw sind sie eng vernetzt mit der Deutschen Botschaft und der Heinrich-Böll-Stiftung.

Ansprechpartner

Koordinator KyivPride
info@csdmuenchen.de

Weitere Informationen

www.kyivpride.org
www.munichkyivqueer.org