PrideWeeks 14.-29. Juni '25
Münchens LGBTIQ*-Community feiert den Pride mit einem kämpferischen Motto. Der Ruf nach Freiheit, Vielfalt und Selbstbestimmung prägt die Veranstaltungswochen bis zum CSD-Wochenende am 28./29. Juni. PRESSEMAPPE PRESSEBILDER
München, 28. Juni 2025 – LGBTIQ* stehen weltweit unter Druck. Auch in Deutschland drohen queeren Menschen gesellschaftliche wie rechtliche Rückschritte; Übergriffe auf LGBTIQ* haben zugenommen.
Die Münchner Community hat sich vor diesem Hintergrund 2025 einem kämpferischen Motto verschrieben. Mit »Liberté Diversité Queerité« ruft der CSD zur Wahrung von Freiheit und Demokratie gegen Rechtsextremismus und Populismus auf, wie sie sich derzeit global verbreiten.
»Liberté Diversité Queerité« steht für Freiheit, Vielfalt und ein sichtbares, selbstbewusstes queeres Leben. Seit dem 14. Juni, als die beiden PrideWeeks begannen, soll das bei allen Events rund um den CSD bis zum Wochenende am 28./29. Juni sichtbar werden.
„Queeres Leben gehört in die Mitte der Gesellschaft“, sagt Dominik Krause, Zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt München. Der Politiker hatte mit diesem Satz in Vertretung von Oberbürgermeister Dieter Reiter, der Schirmherr auch des diesjährigen CSD ist, am 11. Juni auf einer Pressekonferenz im Schwul-Queeren Zentrum Sub die PrideWeeks des Münchner CSD offiziell eröffnet.
Krause betonte, wie wichtig es sei, bei Angriffen und Hass Solidarität zu zeigen. „Denn gemeint sind wir alle!“ In Zeiten des Rechtsrucks sei diese Solidarität von allen politischen Ebenen gefordert.
Wie düster sich die Lage tatsächlich darstellt, zeigen die jüngsten Statistiken der LGBTIQ*-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt Strong! in Bayern. Demnach wurden 2024 exakt 289 Vorfälle gemeldet – das waren 59 mehr als im Vorjahr und insgesamt 130 mehr als noch vor zwei Jahren. Die Tatbestände reichen von einfachen Alltagsdiskriminierungen über Beleidigungen, Bedrohungen und Benachteiligung bis hin zu sexueller Belästigung und schwerer Körperverletzung.
Zahlen der Staatsregierung bestätigen den Trend. Im März 2025 meldete Bayern auf eine Anfrage der Fraktion Die Grünen / Bündnis 90 im Landtag für das vergangene Jahr 177 angezeigte Straftaten; 2023 waren es 190.
Inwieweit aus den Strong!-Zahlen ein Anstieg der LGBTIQ*-Feindlichkeit in der Gesellschaft insgesamt abgeleitet werden kann, bleibt unklar: Immerhin ist die Fallstatistik nicht repräsentativ. Dennoch sei, wie die Polizei selbst bekunde, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, sagt Leonie L., Beraterin bei Strong! Denn nur die wenigsten Vergehen werden angezeigt. „Die Betroffenen scheuen den Aufwand oder glauben, es bringt ohnehin nichts.“ Viele hätten auch zu wenig Vertrauen in die Polizei.
Das gesellschaftliche Klima gegenüber queeren Menschen ist aller Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte zum Trotz rauer geworden. Debatten werden mit viel Empörung geführt, schlagen oft in verbale Gewalt und mitunter in körperliche Angriffe um. Das trifft insbesondere trans* und inter* Menschen.
Wissenschaftliche Daten belegen das. Einer Studie des Markt- und Sozialforschungsinstituts Ipsos zufolge, die der Münchner CSD im vorgestellt hatte, sind 55 Prozent der Deutschen der Meinung, dass trans* Personen in unserer Gesellschaft (sehr oder ziemlich) stark diskriminiert werden. Das sind fünf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und sogar acht Prozentpunkte mehr als noch 2023.
Ansonsten steht Deutschland im weltweiten Vergleich, was die Akzeptanz von LGBTIQ* insgesamt angeht, verhältnismäßig gut da. Laut „Ipsos LGBT+ Pride Report 2025“ hat sich die Lage in vielen Ländern merklich zugespitzt – allen voran in den USA. Insbesondere junge Männer der Generation Z zeigen sich gegenüber Initiativen für die LGBTIQ*-Community skeptisch, wohingegen junge Frauen immer progressiver werden.
Hierzulande dagegen sind drei Viertel aller Befragten der Meinung, dass Lesben, Schwule und Bisexuelle (78 Prozent) sowie trans* Personen (75 Prozent) vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Ebenso unterstützen 74 Prozent das Recht auf Adoption für gleichgeschlechtliche Paare. 71 Prozent befürworten zudem, dass Homosexuelle heiraten dürfen. Etwas verhaltener fällt die Zustimmung aus, wenn es um konkrete Gesetze geht, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verbieten. Jeder zweite Deutsche (49 Prozent ) unterstützt solche Gesetze, 18 Prozent sprechen sich dagegen aus.
Dr. Markus Eberl, Chief Analytics Officer von Ipsos in München, sagt: „Deutschland wirkt im globalen Vergleich stabil. Die internationalen Entwicklungen aber geben Anlass zur Sorge.“
„Die queerfeindlichen Narrative, die Rechtsextreme und Populisten auf Social Media und der Straße verbreiten, wirken“, sagt Diana Horn-Greif, Mit-Geschäftsführende des Lesbisch-Queeren Vereins LesCommunity. LesCommunity ist neben der Münchner Aids-Hilfe, der Wähler*innen-Initiative Rosa Liste, dem Sub und der queeren Jugendorganisation diversity München, einer der fünf Träger des CSD München.
Horn-Greif sprach bei der Veranstaltung im Sub zum ersten Teil des CSD-Mottos, Freiheit („Liberté“). „Der Wandel hin zu einer offeneren, bunten Gesellschaft, aber auch die vielen Krisen in unserer Welt machen den Menschen Angst. Statt die Leute dabei empathisch zu begleiten, werden Sündenböcke gesucht.“ So versuchten nun manche zurückzudrehen, wofür die LGBTIQ*-Community Jahrzehnte lang gekämpft habe.
Die Sozialpädagogin weiß, wovon sie spricht: Horn-Greif engagiert sich seit den 90er Jahren für die Bewegung: Sie hat unter anderem die Lesbenberatungsstelle LeTRa mit gegründet, mit aufgebaut und erinnert sich gut, wie hart es war, Fortschritte für queere Menschen zu erreichen. „Jetzt müssen wir das alles verteidigen.“
Die homo- und transfeindliche Haltung von Teilen der Gesellschaft und Politik führt zur Entsolidarisierung auch in Unternehmen. Jahrelang war Diversity in Unternehmen ein Business-Case, wie Albert Kehrer, Co-Founder der DE&I-Initiative Prout@Work, erklärt. Er sprach im Sub über den Motto-Part Vielfalt (Diversité).
Kehrer hat für sein Engagement in Sachen Diversity 2024 das Bundesverdienstkreuz erhalten. Er weiß: Vielfältige Teams sorgen für bessere Ergebnisse; das bewiesen zahlreiche Studien. So haben Unternehmen, um eine Erhebung von McKinsey aus dem Jahr 2024 zu zitieren, mit diversen Teams eine über 60 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu wirtschaften.
Inzwischen aber scheint das vergessen: Unternehmen ziehen sich aus ihrem Diversity-Management zurück oder tun es nur noch heimlich. Für CSDs in ganz Deutschland hat das fatale Folgen, weil in fast allen Städten Sponsoren ausfallen. Nationale Medien haben in den vergangenen Wochen immer wieder dazu berichtet.
Auch in München macht sich das mangelnde Engagement finanziell bemerkbar. Weil parallel die Kosten steigen, etwa für die Sicherheitsauflagen, und sich so manch Unternehmen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zurückhält, fehlt den Veranstalter*innen Geld, das sie nun einsparen müssen. Die Landeshauptstadt hat sich bereit erklärt, hier notfalls auszuhelfen. Weniger Geld aber bedeutet auch weniger Größe und damit weniger Sichtbarkeit für gleiche Rechte und Akzeptanz.
Kehrer hält das für einen Fehler. Er sagt: „Wer Vielfalt ablehnt, lehnt Fortschritt ab.“ Unternehmen sollten jetzt erst recht in Diversity, Equity & Inclusion-Programme investieren.
Der Backlash, wie wir ihn derzeit erleben, hat Folgen für jede*n Einzelne*n. Ju Hofer, im Vorstand von diversity München, sieht hier eine klare Gefahr für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Dey widmete sich auf der Pressekonferenz im Sub dem dritten Aspekt des CSD-Mottos, Queerité.
Rechtsextreme und Populisten, so Hofer, bereiteten den Boden für Hass und Ausgrenzung. „Denn eine Gesellschaft ist nur so frei und stark, wie sie das ihren schwächsten Gliedern zugesteht."
Umso dringlicher wirken bei alledem die Forderungen, die der CSD München schon im Rahmen der bundesweiten Kampagne sämtlicher CSDs in Deutschland zur Bundestagswahl („Wähl Liebe!“) erhoben hatte.
Bundes- und Staatsregierung werden dazu aufgerufen,
Gleichzeitig engagiert sich der Münchner CSD selbst für queere Menschen in Not. So reisen Vertreter*innen der Münchner Community zur Unterstützung des Pride nach Budapest, den die ungarische Regierung in diesem Jahr verbieten will. Aus Münchens Partnerstadt Kyjiw ist eine Delegation verschiedener LGBTIQ*-Organisationen zu Gast.
Und über die Gruppe Be’er Sheva Munich Queer, die den Kontakt zur queeren Community in Münchens israelischer Partnerstadt Be’er Sheva hält, steht München allen bei, die sich gegen Antisemitismus und Israelhass wenden.
Es sind diese Forderungen und die gelebte Solidarität, hinter denen sich die Teilnehmer*innen des CSDs, insbesondere der PolitParade am 28. Juni, versammeln. Darunter befinden sich zur LGBTIQ*-Community gehörende Vereine, Projekte, Initiativen, Gruppen und Personen sowie Unternehmen und Veranstalter*innen.
Darüber hinaus zugelassen sind Parteien, öffentliche Einrichtungen, NGOs und NPOs. Außerdem dürfen alle weiteren Unternehmen mitlaufen oder -fahren, die im Rahmen ihres Diversity Managements interne LGBTIQ*-Netzwerke fördern. Heuer haben sich 201 Gruppen angemeldet (2024: 210), darunter erstmals die „Omas gegen Rechts“, die „Queersteiger“ vom neuen CSD in Berchtesgaden oder auch das Staatstheater am Gärtnerplatz.
Die PolitParade markiert den Höhepunkt der beiden PrideWeeks, die am 14. Juni begonnen haben. Mit über 80 Veranstaltungen fielen sie etwas weniger üppig aus als im vergangenen Jahr, aber keineswegs weniger vielfältig. Bis zum 29. Juni noch laden die Münchner Community und ihre Mitstreiter*innen zu Ausstellungen, Lesungen, Führungen, Konzerten, Drag Shows, Gottesdiensten und Partys etc.
Alle Details zu den Events und mehr finden sich online und natürlich im aktuellen PrideGuide.
Am Wochenende vom 28. auf den 29. Juni können die Veranstalter*innen aller Widerstände zum Trotz mit dem größten Straßenfest in der Geschichte des CSD aufwarten. Neben der Main Stage am Marienplatz mit ihren queeren Stars (Main Act: Myss Keta!) und der talk-orientierten Community-Bühne in der Kaufingerstraße gibt es am Wittelsbacherplatz ein Programm mit Poetry Slams und Drag Shows – dieses Jahr erstmals über zwei ganze Tage!
Vor dem Dom treffen sich am Samstag wie gehabt Münchens Regenbogenfamilien auf der gleichnamigen Area. Neu ist: Zur PartyArea auf der Ludwigstraße gesellt sich ein langgestreckter Food Court und vor der Feldherrnhalle entsteht in Kooperation mit dem Münchner Löwen Club MLC eine FetischArea mit Talks, Info-Desks und Biergarten. Die über 80 Infostände aus der Community und ihrer Verbündeten verbinden die einzelnen Event-Spots.
Und wie auch im vergangenen Jahr schauen das Awareness- sowie - das Inklusions-Team am CSD-Infostand, dass es vor Ort allen gut geht.
Die Party beim RathausClubbing steigt ab 22 Uhr auf sechs Floors mit Musikstilen für alle Geschmäcker: Best of all Times (DJ Tobi Ruhland), Techno (Garry Klein x MLC), Special Women’s Floor (DJane’s Delight), Ballroom, 10 Jahre Fiesta Escándalo und Pop Floor (Prosecco mit Queen Amy Strong und Pasta Parisa).
Im Vorverkauf waren die Tickets schnell vergriffen. Am 28. Juni gibt‘s am CSD-Infopoint ab 11 Uhr noch Restkarten, sofern das Wetter mitspielt und die Partygäste dann auch im Prunkhof feiern können.
Sicherheit genießt beim CSD jedes Jahr oberste Priorität. Über ein Ampelsystem regelt das Team in der Einsatzzentrale im Rathaus die Besucher*innenströme. Wo Überfüllung droht, sperren die Veranstalter*innen den Zugang.
Wer es nicht in die Innenstadt schafft, kann auf dem YouTube-Kanal des CSD und Social Media den LiveStream zum Event ansehen. Das StreamTeam empfängt die Teilnehmer*innen der PolitParade wieder in der Müllerstraße 26 vor dem LeZ; danach geht‘s zum Straßenfest. Ergänzt werden die Beiträge um Live-Schaltungen zur Hauptbühne.
„Wir freuen uns auf den CSD in München 2025“, sagt Geschäftsführer Alexander Kluge. Zwar beobachte man in diesem Jahr eine gewisse Konsolidierung, aber nie sei ein Pride wichtiger gewesen. Der Einsatz für Freiheit, Vielfalt und ein selbstbestimmtes Leben ist ein Einsatz für unsere Demokratie!“
Seit mehr als 40 Jahren demonstrieren LGBTIQ* in München für gleiche Rechte und Akzeptanz. Bei der größten Veranstaltung der Community im süddeutschen Raum, die getragen wird vom Lesbisch-Queeren Verein LesCommunity, dem Schwul-Queeren Zentrum Sub, der Münchner Aids-Hilfe, der Wähler*innen-Initiative Rosa Liste und der queeren Jugendorganisation diversity München, finden innerhalb zweier PrideWeeks mehr als 80 Veranstaltungen (2025) statt. Höhepunkte sind die PolitParade mit zuletzt 325.000 Teilnehmer- und Zuschauer*innen (2024), das zweitägige Straßenfest rund um den Marienplatz und das Party-Event RathausClubbing.
Conrad Breyer
Pressereferent CSD München
0170 18 59 705
conrad@csdmuenchen.de